3. EGO(n) - Die große Liebe?
Wie passiert so etwas? Wie verliert man sich selbst so sehr, dass man nur noch für einen anderen Menschen funktioniert?
Es ist nicht so, dass man es von Anfang an erkennt. Im Gegenteil – es beginnt wie ein Märchen.
Er war charmant, aufmerksam, sagte genau das, was ich hören wollte. Und ich wollte es hören. Ich vermute, er wusste ganz genau, wie verletzlich ich in diesem Moment war. Er wusste, was ich brauchte – und er gab es mir. Oder besser gesagt: Er zeigte mir eine Version davon. Eine Fassade.
Ich sah nicht, was dahinter lag. Ich sah nur jemanden, der da war. Jemanden, für den ich scheinbar alles bedeutete. Jemanden, der mich brauchte – und das fühlte sich gut an.
Ein perfekt inszeniertes Skript.
Ich habe mit anderen gesprochen, die Ähnliches erlebt haben. Es ist nicht so, dass diese Maske nach ein paar Tagen fällt. Nein – er weiß genau, wie lange er sie tragen muss. Er weiß, wann du so weit bist, dass du dich emotional gebunden fühlst. Dass du nicht einfach gehst.
Die Veränderungen kommen schleichend. Kleine Gewohnheiten, kleine Verschiebungen. Und ehe du dich versiehst, stehst du in einer Realität, die du dir nie für dich selbst vorgestellt hast. Eine Realität, in der du dich selbst kaum wiedererkennst.
Das gebrochene Mädchen
EGOn trat in mein Leben genau in dem Moment, als alles um mich herum zu zerbrechen schien.
Im zweiten Kapitel habe ich von einer großen Liebe erzählt – einer Liebe, die nicht gehalten hat. Und genau in dieser Zeit, als ich spürte, dass etwas in meiner damaligen Beziehung nicht mehr stimmte, war EGOn plötzlich da. Er hörte mir zu, begleitete mich auf Radtouren, wenn ich mich einsam fühlte, und schenkte mir das Gefühl, etwas Besonderes zu sein.
Ich ließ ihn nicht an mich heran – nicht wirklich. Ich klammerte mich noch an die alte Beziehung, an die Hoffnung, dass sich alles wieder richten würde. Doch gleichzeitig war ich dankbar, jemanden an meiner Seite zu haben, der in den dunklen Momenten einfach da war.
Als die Beziehung endgültig zerbrach, zog ich notdürftig zu einer Freundin. Eine Rückkehr zu meinen Eltern war für mich damals keine Option. Ich war 19, unerfahren, verletzt, ohne eigenes Zuhause – und mein Herz lag in Scherben. EGOn blieb. Ohne Vorurteile, ohne Druck. Er spielte die Rolle des verständnisvollen Freundes – doch rückblickend weiß ich, dass seine Absichten längst tiefer gingen.
Drei Wochen später erfuhr ich, dass meine Jugendliebe tatsächlich fremdgegangen war – und dass die Geliebte ein Kind erwartete. In diesem Moment brach meine Welt endgültig zusammen. Aber EGOn war da. Immer mit den richtigen Worten, mit der perfekten Mischung aus Nähe und Trost. Immer genau dann, wenn ich ihn am meisten brauchte.
Und irgendwann ließ ich ihn zu.
Die goldene Zeit
EGOn öffnete mir sofort die Tür zu seinem Zuhause – und zu einem neuen Kapitel meines Lebens. Er sagte, ich solle mich bei ihm wie daheim fühlen, und genau das tat ich. In dieser Phase konnte ich mir nicht vorstellen, allein zu sein. Für immer bei meiner Freundin zu wohnen war keine Lösung, und so schien sein Angebot wie ein sicherer Hafen. Natürlich hatte ich Zweifel – vier Wochen nach einer Trennung direkt mit jemand anderem zusammenziehen? Das ging schnell. Aber damals fühlte es sich besser an, als die Einsamkeit zu wählen.
Ich war noch nicht bereit. Ich brauchte Zeit, um Berührungen wieder zuzulassen – und er gab sie mir. Ich brauchte Raum, um mich zu öffnen – und er wartete geduldig. Er gab mir alles, was ich in diesem Moment brauchte. Ein Tapetenwechsel, meinte er, würde mir guttun. Also buchten wir Urlaub. Nur eine Woche nach meinem Einzug saßen wir bereits im Flugzeug. Dort hatte er mich ganz für sich allein – und nutzte die Gelegenheit, mich mit Charme und Aufmerksamkeit zu umgarnen.
Auch nach unserer Rückkehr blieb alles wie im Rausch. Ich hörte, wie schön ich sei, wie besonders meine Persönlichkeit sei, wie sehr ich sein Leben bereichert hätte. Gleichzeitig begann ich einen neuen Job mit harten Spätschichten bis 22 Uhr – oft kam ich erst gegen Mitternacht nach Hause. Doch er übernahm alles: Haushalt, Kochen, Einkaufen. Ich wurde umsorgt, getragen.
Auch wenn ich innerlich noch nicht dieselbe Tiefe empfand wie in meiner vorherigen Beziehung, war ich überzeugt: Das wird gut. Die Gefühle würden kommen. Ich wollte daran glauben – und ein Teil von mir tat es auch.
Mein Mitgefühl
EGOn hatte selbst einen schweren Schicksalsschlag erlebt – und er sprach oft darüber.
Immer und immer wieder erzählte er von dem Ereignis, das ihm als Zwölfjährigem widerfahren war, vor über fünfzehn Jahren. Er präsentierte sich als Opfer, als jemand, der tief verletzt wurde und bis heute darunter leidet. Ja, ich weiß, er hatte es nicht leicht. Aber irgendwann begann er, jeden seiner Fehltritte auf dieses eine Ereignis zurückzuführen.
Und ich? Ich hatte Mitleid. Ich wollte verstehen, wollte analysieren, wollte entschuldigen. Ich suchte nach Gründen, nach Erklärungen – und fand sie immer wieder in seinem Schmerz. Ich glaubte, dass sein Verhalten Ausdruck eines tiefen Traumas war. Dass er nicht anders konnte. Außerdem überkam mich immer die Hoffnung, dass wir das jetzt einmal durchmachen und dann wird alles besser!
Doch heute weiß ich: Dieses Mitleid war Teil der Falle. Es wurde niemals besser - ganz im Gegenteil!
Welche Fehltritte es waren?
Wie ich sie erlebt habe?
Wie sich alles langsam einschlich, bis ich mich vollständig an ihn gebunden fühlte?
Das erzähle ich dir im nächsten Kapitel.
Bis dahin kannst du mir gerne folgen - ich gebe dir Bescheid, wenn die Geschichte weitergeht Reset & Lumira (@resetandlumira) • Instagram-Fotos und -Videos